Sonntag, 27. Oktober 2013

Die freie Seele

"The free soul is rare, but you know it when you see it. Basically because you feel good, very good, when you near or with them . " Charles Bukowski

Über diesen Satz denke ich schon die ganze Zeit nach. Oder besser darüber, wieviel Bukowski getrunken hatte, als er ihn schrieb. Und wie frei eine Seele sein kann. Meinte er die, die mit ihm an der Bar hingen, Alkoholiker, Außenseiter, Abgestürzte, Nutten, Künstler und das ganze Milieu derer, die sich nicht an die Gesellschaft anpassen wollen oder können? Hat er sich selbst als frei empfunden, weil er sein Leben als Briefzusteller hinter sich lassen und schreiben konnte?

Was auch immer der Satz für ihn bedeutet hat, er entspricht dem Gefühl, das ich habe, wenn ich Mr.Bickle sehe. Der ja nun definitiv alles andere als eine heile Seele hat, aber der sich seine ganz eigene Freiheit schafft. Neben ihm, oder seinen beiden Vorgängern in meiner Seele, einem Alki und einem Stricher, verblasst alles andere. Wirkt unecht, langweilig und zu normal. Ein guter Bekannter, langjähriger Kollege und bekennender Sadist mit eigenem Andreaskreuz im Keller meinte mal zu mir, dass wir eine Grenze überschritten hätten und dass es da kein Zurück gäbe.

Wenn man einmal mit jemandem so hoch geflogen ist und gespürt hat, wie tief und intensiv das Leben sein kann, wie soll man sich da mit weniger zufrieden geben? Vielleicht sind Bukowskis freie Seelen die, die die Grenzen überschritten haben, die uns die Gesellschaft vorgibt. Die anders leben müssen, weil sie nicht funktionieren. Die eigentlich eine Therapie bräuchten, um etwas Frieden zu finden. Die aber andere Wege beschreiten, um mit dem Leben umzugehen. Ungesunde. Alkohol, Drogen, Prostitution sind Möglichkeiten, sich allem zu entziehen und Probleme zu schaffen, die vom eigentlichen Schmerz ablenken. Und man kann die Grenzerfahrungen so beliebig reproduzieren.

Als leicht bipolar veranlagte habe ich die Tiefen geliebt und gesucht, mich fallen lassen in das Leid und die Trauer und den Schmerz, weil man sich darin SPÜRT! Und nichts zu spüren ist an der Depression das allerschlimmste. Tot zu sein, während du doch um dich alle Möglichkeiten hättest und das Leben nach dir ruft. Schreit. LEB MICH! VERDAMMT!!! Und du heulst nur zurück ICH KANN NICHT! LASS MICH IN RUHE!!!!! Um dann darüber zu verzweifeln, dass es so schwer ist.

Neben einer anderen kaputten Seele fällt dieser Druck weg. Und ich muss nichts mehr darstellen, nichts sein. Nur ich. Zwang und Versagen fallen weg neben anderen, die auch versagen. Nichts ist perfekt und so muss ich es auch nicht sein. Ich darf einfach nur das tun, was ich gerade möchte. Ohne Umwege. Wie ein Kind, ein Baby, das nach unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung verlangt und dessen Hunger keinen Aufschub duldet. Darf Dinge tun, die unvernünftig sind und muss mir keine Gedanken machen, dass mich jemand deswegen verurteilt. Ich werde gelassen, wie ich bin. In dem Moment ist es auch egal, woher jemand kommt oder wohin er geht, diese Kriterien sind unwichtig und Erfolg wird an ganz anderen Dingen gemessen als an Geld oder Job.

Freie Seelen brauchen freien Raum. Wo es aber immer enger und normierter wird, können sie sich nicht ausdehnen. Sicher waren in den 50er und 60er Jahren die Gesellschaften noch strenger, Schichten noch klarer. Und die Generationen davor hatten keine Zeit,  sich über so etwas überhaupt Gedanken zu machen. Aber wenigstens waren die Freiräume der Außenseiter dann auch ganz ihre und wurden nicht zu Mode verwurstet wie die Punks oder Grunge. Da wollte die sogenannten besseren Leute nichts damit zu tun haben und man war unter sich. Manchmal wünschte ich mir, dass es sich wieder klarer abgrenzen ließe. Die Proteste gegen die zunehmende Gentrifizierung der Städte geben mir Hoffnung, dass die freien Seelen nicht aussterben und sich wieder öfter am Tresen treffen.

Ich will nicht müssen. Nicht mal gesund sein. Auch wenn es besser für mich ist, echter fühlte sich das andere an. Und gut ist, dass meine Seele von ganz allein den Weg gefunden hat. Bisschen anstupsen und langsam schwingt sie in eine Balance, die sich gut anfühlt. Und auch echt.


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